
Dennis Eilhoff, Sie verlassen Arminia Bielefeld am Saisonende. Ein Ausschluss aus den „Boys Bielefeld“ steht trotzdem nicht zu befürchten?
Dennis Eilhoff: Ich weiß jedenfalls nichts davon. Es ist ja auch nicht so, dass ich zu Preußen Münster gehe. Das wäre dann ein Problem (lacht)!
Können Sie den Wirbel um Manuel Neuer verstehen? Die „Ultras Gelsenkirchen“ schließen ihn aus, weil er mit einem Transfer zu Bayern München einen Ligakonkurrenten stärkt.
Dennis Eilhoff: Dafür habe ich kein Verständnis. Manuel Neuer wurde bei Schalke 04 ausgebildet und hat diesem Verein so viel zurückgegeben, sich immer um die Fans bemüht, aufgrund seiner Leistungen auch das eine oder andere Bierchen verdient nach dem Spiel, sprich: Schalke mit seinen Paraden etliche Punkte gerettet. Er ist für mich der beste Torwart Deutschlands, Europas, sogar der Welt. Neuer hat sich für Schalke 04 aufgeopfert – einem Spieler, der sich so sehr und über einen so langen Zeitraum mit dem Verein identifiziert, kann und darf man einen Wechsel nicht übel nehmen.
Ihre Situation verhält sich ähnlich. Sie haben schon im März angekündigt, in der nächsten Spielzeit nicht mehr in Bielefeld zu spielen.
Dennis Eilhoff: Es war eher so, dass ich damals sagte, ich gehe zwei Tage nach England. Ich wollte mir den Verein Hull City anschauen. In diesem Moment war für den Verein klar, dass ich Bielefeld verlassen werde und man nicht mehr mit mir planen muss. Die Verantwortlichen haben sich in keiner Weise quergestellt. Ich will mich einfach nochmal beruflich verändern.
Und, geht es dann im Sommer auf die Insel oder wohin führt der Weg?
Dennis Eilhoff: Noch kann ich nichts Definitives vermelden. Ich prüfe im Moment mehrere Optionen und werde zusammen mit meiner Familie entscheiden, was das Beste für mich und uns ist.
Sie sind eine Bielefelder Ikone. Wie haben die Arminia-Fans reagiert?
Dennis Eilhoff: Die Fans, mit denen ich oft Kontakt habe, verstehen meine Entscheidung schon. Ich bin seit 15 Jahren bei Arminia Bielefeld. Auch die Ausleihe nach Koblenz zwischen 2006 und 2008 war ja nur ein Abschied auf Zeit, weil immer angedacht war, dass ich mit mehr Spielpraxis zurück nach Bielefeld komme, um Mathias Hain im Tor abzulösen. Ich war dem Verein so lange treu! Jetzt hat mich die sportliche Talfahrt zu einem neuen Schritt bewogen.
Ein Verbleib in Bielefeld auch in der 3. Liga stand nie zur Debatte?
Dennis Eilhoff: Nein. Da muss man dann die Profikarriere auch mal über die Vereinsliebe stellen. In diesem Sinne stört mich auch der Vorwurf der Schalker Ultras, nach dem Wechsel von Manuel Neuer werde man Spieler nur noch als Profifußballer und Arbeitnehmer sehen. Manuel Neuer ist nun mal Profisportler und deshalb kann man ihm den Wechsel auch nicht verdenken. Es ist doch schon untypisch, dass er – oder auch ich jetzt – einem Verein überhaupt so lange treu bleibt. Das wird leider immer schnell ausgeblendet.
Sie sind den „Boys Bielefeld“ 2005 beigetreten. Wie kam der Kontakt damals zustande?
Dennis Eilhoff: Ich stand ja früher selbst auf der Tribüne, kannte die Fanszene also. Über „Segelohr“, erstes Mitglied der „Boys“ und auch Arminia-Fotograf beim Westfalenblatt, bin ich in diesen Kreis gekommen.
Bielefeld-Fan waren Sie schon vorher. Ihr erster Stadionbesuch datiert vom 1. August 1996. Was hat an der Arminia damals fasziniert? Immerhin hätte es in Westfalen ausreichend andere Optionen gegeben …
Dennis Eilhoff: Ich muss gestehen, dass ich als ganz kleiner Junge Dortmund-Fan war. Da stand ich mit meinem Vater auf der Südtribüne, inklusive mitgebrachtem Hocker, damit ich kleiner Knirps über die langen Kerle rübergucken konnte. Oft war ich auch mit Martin Amedick im Westfalenstadion. Martin, heute bei Kaiserslautern, war unweit größer und brauchte keinen Hocker. 1996 kam für mich der Sprung zur Arminia. Ich wechselte in die B‑Jugend von Bielefeld. Da habe ich mir natürlich die Spiele der Profimannschaft angeguckt, stand im Block mit meinen damaligen Kollegen. Uli Stein absolvierte damals seine letzten Spiele im Tor. Das war natürlich ein beeindruckendes Erlebnis.
Heute stehen Sie da, wo Uli Stein einst stand. Was bedeutet Ihnen die Bielefelder Alm?
Dennis Eilhoff: Nach fünfzehn Jahren bei der Arminia ist die Alm mein Wohnzimmer geworden. Ich saß viele Spiele auf der Bank, habe genauso viele Spiele gemacht. Das Stadion ist ein zweites Zuhause für mich.
Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?
Dennis Eilhoff: Natürlich bin ich seit einigen Wochen darauf vorbereitet, dass ich gehen werde. Ich konnte mich also mit dem Abschied auseinandersetzen. Wehmut ist trotzdem da. Wenn man so lange im Verein war, tut das weh. Zumal ich weiß, dass ich als Spieler auf absehbare Zeit nicht mehr in diesem Stadion auflaufen werde – wobei, vielleicht ja als Gegner.
Das wäre kein Tabu für Sie? Es soll Spieler geben, die bei ihrem Abschied beschwören, nie auf der „falschen“ Seite ins Stadion einlaufen zu wollen.
Dennis Eilhoff: Da muss man Profi genug sein, um zu akzeptieren, dass der Fußball einen vielleicht auch mal gegen den Ex-Verein oder die alte Liebe lotst. Ich würde mir jedenfalls nicht in den Vertrag schreiben lassen, gegen Bielefeld nicht auflaufen zu müssen. Ich bin jetzt 28. Wenn die Knochen halten, kann ich als Torwart also noch zehn Jahre Fußball spielen. Das habe ich auch vor. Eine Menge Zeit, in der viel passieren kann.
Auf der nächsten Seite: Dennis Eilhoff über Weihnachtsfeiern mit dem Fanclub, die Gefahr der Vereinnahmung und den aktuellen Niedergang von Arminia Bielefeld.
Zurück zu den „Boys Bielefeld“ – Ein oldschooliger Fanclub oder Teil der Ultrakultur?
Dennis Eilhoff: Die „Boys“ sind ultra-orientiert. Das soll aber nicht in den falschen Hals geraten. Ultraorientiert meint nicht Schlägerei und Haudrauf, bedeutet nicht Vermummung und Baseballschläger. Ultras sind, das weiß hoffentlich mittlerweile fast jeder, keine Hooligans. Bei den „Boys“ tummeln sich normale Bürger. Aber statt eben nur mit dem Schal ins Stadion zu gehen, bringt der Fanclub zu den Spielen eine Choreographie mit, engagiert sich über den Stadionbesuch hinaus und verpasst fast keine Auswärtsfahrt.
Nach dem Spiel gehen Sie oft an den Zaun zu den „Boys“. Der Wechsel weg aus Bielefeld könnte bedeuten, dass Sie es endlich auch mal wieder während einer Partie in die Kurve schaffen.
Dennis Eilhoff: Ich freue mich auf jeden Fall immer, wenn ich es zu einem Fußballspiel als Fan schaffe – logischerweise waren das in den letzten Monaten und Jahren nie Spiele der Arminia. In Zukunft mal wieder auf der Tribüne stehen zu können, wäre sicherlich ein schöner Nebeneffekt. Ich habe aber sowieso gesagt, dass ich spätestens nach meiner aktiven Karriere nach Bielefeld zurückkehren werde, vielleicht ja dann in Vereinsfunktion. Ich bin nun mal Ostwestfale. Paderborn, Gütersloh, Bielefeld – das ist meine Ecke.
Inwieweit war und ist Ihre Mitgliedschaft bei den „Boys Bielefeld“ denn eine aktive? Wie oft sind Sie dabei und zu welchen Anlässen?
Dennis Eilhoff: Ich gehe beispielsweise zu den Weihnachtsfeiern. Banner und Transparente zu basteln, das schaffe ich dann doch nicht. Dafür fehlt mir einfach die Zeit. Wenn ich nicht auf dem Trainingsplatz stehe, will ich auch mal meine Familie sehen. Aber ich stehe in regem Kontakt mit dem Mitglied Nummer 1, Spitzname „Segelohr“, und bekomme so mit, was abgeht.
Hat sich das Verhältnis zwischen den „Boys“ und Ihnen verändert, als Sie in der Winterpause 2006/07 plötzlich Stammtorwart der Arminia wurden, zumal in der 1. Bundesliga?
Dennis Eilhoff: Nein. Ich habe mich immer bemüht, so normal wie möglich aufzutreten. Ich wollt mich menschlich nicht verändern, sondern so bleiben, wie ich bin. Ich hoffe, das ist mir gelungen.
Es ist selten, dass ein Spieler zugleich leidenschaftlicher Fan ist. Fehlt dem Gros der modernen Fußballer die nötige Identifikation mt dem Verein?
Dennis Eilhoff: Es ist schade, dass manche Fußballer den Verein nur als Arbeitgeber oder Sprungbrett sehen. Ich hatte allerdings auch das Glück, bei dem Verein zu spielen, den ich mit Leib und Seele liebe. Und ich bin über Jahre in diesem Klub geblieben. Viele solcher Beispiele gibt es leider wirklich nicht mehr. Ein Lars Ricken bei Borussia Dortmund früher käme mir in den Sinn, oder eben jetzt Manuel Neuer bei Schalke 04.
Fuchst Sie das auf dem Platz besonders, wenn da ein Mitspieler trabt, der mit den Gedanken woanders ist und sich nicht zu 100 Prozent für Bielefeld zerreißt?
Dennis Eilhoff: Vor allem in der aktuellen Saison war die Situation so, dass wir unsere Kräfte bündeln mussten, um das Unmögliche, den Nichtabstieg, vielleicht doch noch möglich zu machen. Wenn dann im Winter Spieler dazukommen, die vorher nichts mit dem Verein zu tun hatten, ist das natürlich schwierig.
Wurden Sie in der Kabine manchmal skeptisch beäugt wegen Ihrer Fannähe und der Mitgliedschaft bei den „Boys“?
Dennis Eilhoff: Nein, Skepsis gibt es nicht. Es weiß auch gar nicht jeder, dass ich in einem Fanclub Mitglied bin. Und ich will das nicht an die große Glocke hängen. Sollte es aber jemanden stören, kann er mich gerne darauf ansprechen. Dann erkläre ich ihm, dass ich Bielefelder mit vollem Herzen bin. Dass ich meine beiden Kinder sofort nach deren Geburt als Vereinsmitglieder angemeldet habe. Dass ich Fannähe und Identifikation gut und wichtig finde.
Ein Spieler wie Sie läuft Gefahr, vom Anhang vereinnahmt zu werden. Viele wollen, dass Sie nach dem Abpfiff in der Kurve stehen, um jede Aktion und Vereinsentscheidung zu erklären. Wie schaffen Sie die richtige Balance aus Fannähe und professioneller Distanz?
Dennis Eilhoff: Klar, die Gefahr besteht. Es geht darum, eine gesunde Distanz zu finden, dabei aber nicht arrogant zu wirken. Man muss sich manchmal die Freiheit herausnehmen, Fußballer zu bleiben – und nicht nur das zu machen, was aus Fansicht richtig erscheint. Es gab einige Situationen, in denen ich abblocken musste. Ich kann nicht nur Kumpel sein.
Schmerzt Sie als Profi und Fan der sportliche wie finanzielle Niedergang von Arminia Bielefeld doppelt?
Dennis Eilhoff: Dieser Absturz ist auf jeden Fall sehr bitter und tut weh. Der Verein hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Rettung herbeizuführen. Es gab gewisse Erfolge, leider konnte der komplette Crash nicht vermieden werden. Man muss jetzt gucken, dass man die Lizenz für die 3. Liga definitiv bekommt. Dann kann es einen Neuanfang geben. Natürlich werde ich die weitere Entwicklung der Arminia auch aus der Ferne genau verfolgen.
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